Meinungen und Erwartungen
Ulrike Donat
Die Erfahrung mit der sogenannten „friedlichen Nutzung der Atomenergie“ lehrt: Technokraten und Politiker vernachlässigen Sicherheitsaspekte – sie wollen Entscheidungen durchsetzen. Zweifler und Kritiker wurden von Anfang an ignoriert, diffamiert, kriminalisiert – aber gerade sie übernehmen Verantwortung und tragen das Wissen um Schwachstellen und Erkenntnislücken weiter. Das atomare Erbe strahlt noch viele Generationen. Als Teil der Anti-AKW-Bewegung und juristische Begleiterin der Castor-Transporte nach Gorleben möchte ich dazu beitragen, das Unrecht zu beenden, Wissen und Erfahrungen der Protestbewegung für die kommenden Generationen verfügbar zu halten und die Suche nach sicheren Alternativen nie aufzugeben.
Eckhard Kruse
1977 wurde die Entscheidung getroffen, am Standort Gorleben ein Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle bis 1989 fertigzustellen. Die sogenannte „Erkundung“ bezog sich daher auf die Frage, wo mit welcher Technik welcher Müll eingelagert wird.
Von der Suche nach einem Standort bis zur endgültigen Schließung eines Endlagers vergehen 5 bis 6 Generationen, ungefähr 180 Jahre. Auf internationaler Ebene wird seit langem die Notwendigkeit des Wissenstransfers über Generationen hinweg erkannt. Das Wissen der verschiedenen Beteiligten (Wissenschaft, Industrie, Zivilgesellschaft und staatliche Aufsichtsbehörden) muss über einen langen Zeitraum hinweg zur Verfügung stehen. Oft potenzieren sich Anfangsfehler im weiteren Verlauf. Diese müssen analysiert und revidiert werden können.
Das heutige Verfahren einer alternativen, auf Kriterien begründeten Suche eines bestmöglichen Endlagers unter Beteiligung der Öffentlichkeit erfordert eine Vernetzung des nuklearen Gedächtnisses.
Ulrich Smeddinck
Der Neustart der Endlagersuche wird erkennbar überlagert von den alten Konflikten um die friedliche Nutzung der Kernenergie. Insbesondere das Standortauswahlgesetz wird deshalb in seinen Lernfortschritten und Möglichkeiten verkannt. Wenn das Gesetz wirklich effektiv werden soll, müssen auch die alten Konflikte bearbeitet werden.
Asta von Oppen
Als Anwohnerin von Gorleben habe ich 40 Jahre lang die Auseinandersetzungen um den Standort miterlebt und an ihnen teilgenommen. Wie konnte es dazu kommen, dass sich der Konflikt um Gorleben kontinuierlich zugespitzt hat und es in der Region zu einem derartig Vertrauensverlust in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft gekommen ist? Was können wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen? Ohne eine Aufarbeitung der Vergangenheit besteht weder in Gorleben noch an einem anderen Standort eine Chance ohne staatliche Gewalt eine Lagerstätte für hochradioaktiven Atommüll zu finden.
Die Analyse des Scheiterns ist Voraussetzung für das weitere Vorgehen. Jede aktuelle Entscheidung im Umgang mit dem Atommüll fußt auf Weichenstellungen aus der Vergangenheit.
Wir sind es den Enkelgenerationen schuldig, eine Antwort darauf zu geben, wie es dazu kommen konnte, sie mit diesem Erbe zu belasten. Wer hat wie dazu beigetragen, dass wir den Nutzen und sie die Last haben?
Michael Mehnert
In der Hoffnung, dass alte Fehler nicht wiederholt werden und in dreißig Jahren bei der langfristigen Lagerung von Atommüll nicht wieder ganz von vorne begonnen werden muss. Das sollten wir uns nicht leisten, es gibt andere sehr dringende gesellschaftliche Probleme…
Daniel Häfner
Der Konflikt um die Nutzung der Atomenergie hat gesellschaftliche Kräfte frei gesetzt, die zu einer Demokratisierung und Liberalisierung der Bundesrepublik beigetragen haben. Und aus diesem Konflikt gibt es einiges zu lernen – schon rein praktisch, um Fehler nicht zu wiederholen. Aber es muss auch darum gehen, die demokratischen Potentiale des Spannungsverhältnisses zu bewahren. Und die Zeit drängt, denn Dokumente gehen verloren und die Protagonisten des Konfliktes sterben.